Multitasking – von der Kunst mehrere Dinge gleichzeitig in den Sand zu setzen

Nie war das Gefühl mehrere Dinge gleichzeitig erledigen zu müssen größer als heute, oder? Und nie war hierdurch die Gefahr in die Multitasking-Falle zu tappen größer. Denn um die Katze gleich aus dem Sack zu lassen: Multitasking im Sinne einer gleichzeitigen Erledigung von Aufgaben ist weder möglich, noch ist der Versuch dies zu tun effizient – das Gegenteil ist der Fall. Wieso das so ist? Das erfährst Du in diesem Artikel.

Der Mythos vom Multitasking

Hier und da gibt es sie immer noch: die Überzeugung, dass Multitasking am Ende des Tages dazu führt, dass wir alle Punkte auf unserer To-do-Liste streichen können. Oberflächlich betrachtet macht das ja auch Sinn. Denn wenn wir mehrere Dinge gleichzeitig erledigen, würde das ja heißen, dass wir am Ende schneller fertig sind und diese gewonnene Zeit sogar mit weiteren Aufgaben füllen könnten. Doch was auf den ersten Blick logisch erscheint, ist – wenn man es etwas genauer betrachtet – von der Realität weit entfernt. Ein Eindruck von Gleichzeitigkeit entsteht tatsächlich nur, weil wir mehrere Aufgaben im schnellen Wechsel bearbeiten. Eine Aufteilung der Aufmerksamkeit auf verschiedene Tätigkeiten ist faktisch unmöglich. Man könnte sagen, der präfrontale Kortex ist ein „Einkernprozessor“, der sich nur einer Aufgabe gleichzeitig zuwenden kann. Wenn wir genauer darüber nachdenken, dann wird es uns auch klar. Denn hast Du schon einmal versucht eine Matheaufgabe zu lösen und gleichzeitig aufmerksam TV zu sehen oder einen Artikel gelesen und gleichzeitig jemandem ausführlich von deinem Tag berichtet? Letztlich können wir unsere volle Aufmerksamkeit nur einer Sache zuwenden. Alles andere wird mindestens in Teilen, oft sogar vollständig ausgeblendet.

Die Ausnahme von der Regel: Dualtasking

Tatsächlich gibt es einen Ausnahmefall in dem es möglich ist zumindest zwei Dinge zur gleichen Zeit zu erledigen. Dies ist allerdings nur machbar, wenn zwei unterschiedliche Gehirnregionen genutzt werden, was eine spezielle Kombination bzw. Natur der Aufgaben voraussetzt. Und zwar ist das Ganze nur möglich, wenn das prozedurale und das deklarative Gedächtnis gleichzeitig bzw. parallel angesprochen werden. Was hat es mit diesen Gehirnregionen auf sich? Einfach gesagt: Das prozedurale Gedächtnis ist ein motorisches Gedächtnis, während das deklarative Gedächtnis Wissen in semantischen Netzwerken ablegt. Um es greifbar zu machen hier einige Beispiele: Wir können während eines Spaziergangs ein Gespräch mit jemandem führen und aufmerksam zuhören, wir können Auto fahren und gleichzeitig unserem Beifahrer von unserem Tag berichten, wir können auf dem Indoor-Fahrrad sitzen und gleichzeitig aufmerksam TV sehen usw. Hierbei kann es aber auch immer wieder temporär zum Singletasking kommen – und zwar dann, wenn es erforderlich ist. Das könnte zum Beispiel eine ungewöhnliche Verkehrssituation sein, die es erfordert, dass Du deine Aufmerksamkeit dem Verkehr widmest oder aber eine Veränderung der Einstellungen auf deinem Indoor-Fitnessrad, die es erfordert, dass Du dich auf das Display konzentrierst.

Die Probleme am vermeintlichen Multitasking

Die gleichzeitige Erledigung von Aufgaben ist nicht nur unmöglich – allein der Versuch ist mit vielen Problemen verbunden. Zum Beispiel verringert vermeintliches Multitasking die Produktivität und erhöht die Fehlerquote. Das zeigen diverse Studien. Wer für 3 Minuten aus einer Aufgabe herausgerissen wird oder sich einer neuen Aufgabe zuwendet, braucht anschließend 2 Minuten, um in der ursprünglichen Aufgabe wieder vollständig auf dem Stand zu sein und an der Abbruchstelle erfolgreich weiter arbeiten zu können. Hierbei ist der Wiedereinstieg umso schwieriger, je komplexer die Aufgabe ist, die unterbrochen wurde und je tiefer man in dieser „versunken“ war. Am Ende können sich die auf diese Weise unnötig vergeudete Minuten auf bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit aufaddieren.

Zudem löst die Ablenkung von einer Aufgabe und die Konzentrationsverlagerung auf eine andere stets eine Störung aus – unabhängig von der Dauer der Unterbrechung. Eine Störung von weniger als 3 Sekunden kann bereits dazu führen, dass sich die Fehlerquote verdoppelt. Insgesamt verringert sich die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns übrigens um 20 bis 40 Prozent, wenn Aufgaben parallel statt nacheinander erledigt werden. Ein weiteres Problem von Multitasking: jeder unnötige Reiz, der während der gezielten Bearbeitung einer Aufgabe auf uns wirkt, kostet uns Energie! Immer dann, wenn wir Störfaktoren ignorieren müssen, erfordert dies einen energetischen Tribut. Das heißt immer dann, wenn wir mit dem Smartphone vor dem Fernseher sitzen, wenn wir Radio bei der Arbeit hören oder andere Dinge tun, die gleichzeitig die Arbeit unserer deklarativen Gehirnregion erfordern, ist das Schwerstarbeit für unser Gehirn. Kein Wunder, dass uns nach einem Tag von Multitasking-Versuchen der Kopf raucht!

Wie Pseudo-Multitasking unser Stresslevel erhöht

Der Versuch des Multitaskings wirkt sich aber nicht nur negativ auf Produktivität, Fehlerquote und Energielevel aus. Er erhöht ebenfalls unseren Stress. Denn unser Gehirn ist nicht dafür gemacht alle paar Sekunden oder Minuten zwischen Aufgaben hin und her zu wechseln. In kurzen Abständen müssen wir so immer wieder neue Strategien für vorliegende Aufgaben bzw. Probleme finden, was unser Gehirn in einen konstanten „Problemlösungsmodus“, einen sogenannten hypervigilanten, überwachen Zustand versetzt. Dass dieser Zustand die Adrenalin- und insbesondere die Cortisol-Ausschüttung fördert, konntest Du bereits in meinem Artikel „Wie chronischer Stress zu Übergewicht und Krankheit führt“ nachlesen.

Übrigens: Selbst ein einsekündiger Blick auf das Smartphone, zum Beispiel bei einer eingehenden Benachrichtigung einer App, erzeugt eine Ablenkung bzw. Störung und damit ein Multitasking in der „Lightversion“. In der Folge erzeugen derartige Benachrichtigungen dann oft einen inneren Druck, da wir unbedingt nachschauen wollen, was hinter der Benachrichtigung steckt. So sind wir nun einmal gestrickt. Doch damit nicht genug – meist beantworten wir zum Beispiel Nachrichten direkt, weil es schnell geht und uns die Erledigung dieser „Aufgabe“ eine Dopamin-Ausschüttung als Belohnung beschert. Schade nur, dass wir in der Zeit weniger an unserer ursprünglichen Aufgabe arbeiten können, immer wieder Zeit für den Wiedereinstieg in die ursprüngliche Aufgabe benötigen (siehe oben) und so am Ende womöglich in Zeitnot und damit in Stress geraten. Aber auch wenn wir nicht direkt antworten und nicht den grundsätzlichen Anspruch haben zeitnah auf Nachrichten zu reagieren, so behalten wir die ausstehende Nachricht oftmals doch im Hinterkopf, was letztlich Druck und Stress fördern kann.

Ein weiteres Problem von Multitasking ist, dass sich Erfolgserlebnisse wesentlich reduzieren oder im Worst Case ausbleiben, weil wir keine Aufgabe so richtig gut zu Ende bringen. Das verringert den positiven Einfluss dieser Erlebnisse auf unsere Selbstwirksamkeit. Geringe Selbstwirksamkeit wiederum verringert unsere Ressourcen zur Stressbewältigung und erhöhen so das Stresslevel.

Was tun, um Multitasking zu vermeiden?

Wir können konstatieren: Multitasking ist nicht gut. Doch was kannst Du tun, um dem fernzubleiben? Hier habe ich dir einige Tipps niedergeschrieben, die dich dabei unterstützen können. Diese beziehen sich insbesondere auf Bürotätigkeiten, da der Versuch zwei Tätigkeiten mithilfe des deklarativen Gedächtnisses zu lösen hier am wahrscheinlichsten ist und die Konsequenzen von Multitasking in diesem Fall am deutlichsten die Produktivität verringern. Vorab findest Du aber auch einige allgemeine Tipps.

  • Singletasking bewusst kultivieren! Das heißt, dass Du dir bewusst Aktivitäten bzw. Hobbys suchst, die die Konzentration auf eine Tätigkeit beschränken. Das kann sein: Lesen, Zeichnen, Musik hören, Spazierengehen, Radtouren machen usw. und währenddessen das Smartphone in der Tasche lassen.
  • Monotonie aushalten! Es auch mal zu ertragen, etwas Monotones zu machen ist eine wichtige Eigenschaft. Gönn deinem Kopf auch mal ein wenig Pause. Das Schöne ist, dass dein Gehirn diesen Leerlauf nutzt, um in Gedanken zu versinken und kreative Ideen zu generieren.
  • Slow Media nutzen! Den Begriff habe ich mir tatsächlich ausgedacht – aber ich finde ihn irgendwie passend. Die Rede ist von Büchern! Einfach mal ganz entspannt ein gutes Buch zur Hand nehmen ohne nach zwei Seiten erst einmal auf Instagram oder TikTok zu daddeln.
  • Genügend Pausen einbauen! Viele kurze Pausen sind vor allem bei Kopfarbeit wichtig. Arbeitstechniken wie die Pomodoro-Technik gibt es nicht umsonst. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Sie sind sehr wirksam und effizienzsteigernd.

  • Smartphone verbannen! Das Smartphone hat auf dem Schreibtisch nichts zu suchen! Es verleitet dich nur immer wieder in die Multitasking-Falle zu tappen. Plan dir einfach feste Zeiten dafür ein, z.B. alle 60 Minuten.
  • Durchatmen! Einfach 3-mal tief ein und noch tiefer ausatmen. Sich zentrieren und ausschließlich auf eine (die wichtigste) Aufgabe konzentrieren.
  • Notizen als Wiedereinstiegshilfe! Wenn Du bei einer Aufgabe unterbrochen wirst, versuche dir kurz noch die notwendigen Notizen zu machen, damit Du nach der Unterbrechung wieder gut in die ursprüngliche Aufgabe einsteigen kannst.
  • Schnell zurück zur originären Aufgabe! Wende dich nach einer Unterbrechung möglichst schnell wieder der ursprünglichen Aufgabe zu und spring nicht zur nächsten (und nächsten) Ablenkung. Es wird sonst immer schwieriger dich wieder in die originäre Aufgabe einzudenken.
  • Abbruch nach Teilerfolg! Falls möglich unterbrich eine Aufgabe nicht mittendrin, sondern versuche zumindest einen guten Ausstiegspunkt zu finden. Das könnte z.B. das Ausformulieren einer E-Mail sein.
  • Störungsfreie Zeit! Schaffe dir feste Zeiten für die Bearbeitung von E-Mails oder Nachrichten, die über andere Medien eintrudeln. In der restlichen Tageszeit machst Du die Software zu bzw. stellst die Benachrichtigungen aus. Falls Du alle deine Mails unbedingt schnell beantworten musst, schaffe dir zumindest ein kleines tägliches Zeitfenster in dem Du dieses Vorgehen durchziehen kannst. Genauso kannst Du dir Zeiten schaffen, in denen Du für deine Kolleg:innen nicht ansprechbar bist. Ein aufgesetztes Headset, Kopfhörer oder ein Schild können das entsprechende Signal für deine Kolleg:innen sein.

Hast Du noch weitere Tipps, die dich vor Multitasking bewahren können? Schreib sie gern in die Kommentare!

Ich wünsche Dir viel Spaß beim Anwenden der Tipps und hoffe Du konntest erkennen, wieso Multitasking am Ende nur dazu führt, dass wir mehrere Dinge gleichzeitig in den Sand setzen.

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