How to: Gute Gewohnheiten entwickeln und beibehalten

Wer kennt die Frage um diese Zeit des Jahres nicht: „Und – was sind deine Vorsätze für das neue Jahr?“. Wie oft hat man sich zum Jahreswechsel schon etwas vorgenommen und wie oft hat man es durchgehalten? Aber irgendwie bietet sich der Anfang eines neuen Jahres auch für Veränderungen an. Oder was denkst Du? Gerade bei einem Blick zurück, möchte der eine oder die andere das letzte Jahr – oder womöglich die letzten beiden Jahre – gern in den Hintergrund rücken lassen und sich mit neuen Plänen auf das kommende Jahr stürzen.

Warum sind Vorsätze trotzdem eine gute Idee?

Auch wenn das Thema Neujahrsvorsätze irgendwie unten durch ist, ist der Grundgedanke – das heißt die Intention neue, positive Gewohnheiten zu etablieren und alte, negative Gewohnheiten abzulegen – extrem wirkungsvoll, um Verhaltensveränderungen herbeizuführen. Denn unser Alltag bzw. die Entscheidungen die wir während des Tages treffen werden zu etwa 30-50 Prozent von Gewohnheiten bestimmt. Wieso ist das so? Nun ja … wir müssen uns klar machen, dass unser Gehirn sehr viel Energie verbraucht und uns jede einzelne Entscheidung Energie kostet. Von diesen treffen wir etwa 20.000 am Tag – davon gehen zumindest Psychologen aus. Um nicht in einen energetischen Engpass zu geraten, versucht unser Gehirn daher zu jeder Zeit seinen hohen Energiebedarf möglichst gering zu halten. Dies war vor allem aus evolutionärer Perspektive sehr wichtig, denn Nahrung war nun einmal für jeden von uns per se knapp. Und wie genau sah und sieht auch heute noch eine solche Reduzierung des Energiebedarfs aus? Nennen wir es einfach: Automatisierung von Entscheidungen und Abläufen. Du wirst es kennen: Oft läuft unser Morgen sehr gleichartig ab. Zum Beispiel: aufstehen, duschen, frühstücken, meditieren, Zähne putzen und zur Arbeit fahren. Es sind keine großen Entscheidungen mehr notwendig. Zudem funktionieren wir in einer Art Auto-Pilot. Das wird vor allem deutlich, wenn wir uns im Büro nicht mehr an Einzelheiten der Anreise erinnern können. Auto-, Bahn- oder Radfahren ist ein so gewohnter Prozess, dass unser Gehirn hierbei nur dann außerhalb des Auto-Piloten aktiv wird, wenn etwas Ungewohntes oder Gefährliches passiert. Zum Beispiel eine problematische Verkehrssituation oder unachtsame Verkehrsteilnehmer:innen. Das Ganze hat übrigens auch mit unseren beiden Gedächtnisarealen (prozedural und deklarativ) zu tun. Hierzu aber mehr in einem zeitnah erscheinenden Artikel zum Thema Multitasking.

Heruntergebrochen: Wie entstehen eigentlich Gewohnheiten?

Wir wissen nun also, dass Entscheidungen automatisiert ablaufen können. Das gilt natürlich nur, wenn Sie immer wieder wiederholt werden. Denn wie heißt es so schön: „Neurons that fire together, wire together.“ Trotzdem brauchen Gewohnheiten, ob alt oder neu immer einen initialen Auslösereiz, der die folgende Kettenreaktion auslöst:

  1. Auslösereiz
  2. Verlangen
  3. Reaktion
  4. Belohnung

Ein ganz einfaches Beispiel: Abends machst Du es Dir auf dem Sofa bequem. Die Schale mit den Süßigkeiten steht auf dem Wohnzimmertisch. Die Schale bzw. der Blick auf die Schale ist dann der Auslösereiz. Es entsteht anschließend das Verlangen in die Schale zu greifen und sich ein paar der Köstlichkeiten zu genehmigen. Das Verlangen fällt je nach Hunger und Gemütszustand natürlich unterschiedlich aus. Meist mündet es aber in der folgenden Reaktion: Du greifst zu und isst 1-18 Süßigkeiten. Die Belohnung ergibt sich durch den Geschmack sowie durch die Dopamin-Ausschüttung, die durch Kohlenhydrate und insbesondere Zucker hervorgerufen wird. Je öfter das Ganze passiert – und sind wir mal ehrlich, so etwas passiert ständig – desto stärker bildet sich eine Gewohnheit aus. Und eins müssen wir zugeben: Gewohnheiten, ob positiv oder negativ, können extrem stark sein.

Auslösereize können in unterschiedlichster Art vorliegen. So können zum Beispiel auch gewisse Handlungen oder andere Gewohnheiten ein Auslösereiz sein. Denken wir zum Beispiel an den Satz: „Ich rauche nur, wenn ich Alkohol trinke.“. In diesem Fall wird der Alkohol dann zum Auslösereiz für das Rauchen. Beim Alkoholkonsum entsteht so ein Verlangen, sich eine Zigarette anzuzünden. Auch grundsätzliche Kontexte oder Umfelder können ein Verlangen auslösen. Wenn ich es gewohnt bin in der Kneipe einige Bier zu trinken, wenn ich mich dort aufhalte bzw. mit Freund:innen dort Zeit verbringe, kann durchaus schnell das Verlangen danach entstehen. Bestelle ich mir üblicherweise eine fettige Currywurst dazu, fehlt auch hier nicht viel, bis es zur Reaktion kommt. Selbst Zeit kann ein Auslösereiz sein – ein gutes Beispiel ist das Mittagessen. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber nicht selten werde ich und werden auch viele Kolleg:innen hangry (hungry and angry), wenn es nicht einigermaßen pünktlich etwas zwischen die Zähne gibt. Wir sind es eben gewohnt, zu einer gewissen Zeit zu essen.

Was kannst Du tun, um positive Gewohnheiten zu entwickeln und beizubehalten?

Zu diesem Thema gibt es unheimlich viel Literatur. Ich beziehe mich in diesem Artikel aber neben eigenen Kenntnissen auf James Clear, der – wie ich finde – sehr eingängige und pragmatische Ansätze in diesem Bereich liefert. Hierbei kann ich natürlich nur einige wenige Aspekte aufgreifen. Andernfalls würde dieser Artikel kein Ende finden.

#1 Gewohnheitslandkarte

Ein erster Schritt kann darin bestehen die eigenen Gewohnheiten erst einmal zu erkennen und ins Bewusstsein zu rufen – denn wie gesagt, die meisten laufen stark automatisiert und unbewusst ab. Zudem sollten wir, um Gewohnheiten zu entwickeln oder zu verändern, eben erst einmal schauen, wo wir stehen. Ist dies geschehen liegt der nächste Schritt darin zu bewerten, ob diese positiver oder negativer Natur sind sowie in der Ergänzung der Landkarte um die Gewohnheiten, die Du gern entwickeln würdest. Achte hierbei weniger auf kurzfristige Wirkungen, sondern vielmehr auf mittel- bis langfristige Auswirkungen der Gewohnheiten. Denn kurzfristig gesehen, sind Süßigkeiten schon eine schöne Sache, weil Sie sie unser Belohnungssystem ansprechen und uns ein gutes Gefühl geben. Das ist ja isoliert betrachtet gar nicht so schlecht. Mittel- bis langfristig hat regelmäßiger Zuckerkonsum aber definitiv negative Auswirkungen. Während negative Gewohnheiten abgelegt werden sollten, können positive Gewohnheiten natürlich beibehalten und ggf. erweitert werden sowie gewünschte Gewohnheiten ergänzt werden. Hierbei können Dich folgende Ansätze unterstützen.

#2 Umsetzungsvorhaben formulieren

Realisierungsintention, also die Absicht zur Umsetzung der Handlungen im Alltag, haben sich als sehr wirksam herausgestellt, wenn es um die Etablierung neuer Gewohnheiten geht. Diese lassen sich grob wie folgt formulieren:

„Wenn Situation A eintritt, führe ich Reaktion B aus.“

Bei der Formulierung der Umsetzungsvorhaben gilt das gleiche wie bei der Formulierung von Zielen. Je konkreter, desto besser! Nicht umsonst sind SMARTe Ziele ein so starkes und vielfach verwendetes Instrument zur Zielerreichung. In diesem Fall bedeutet des, dass dem Vorhaben wenn möglich noch eine Zeit und ein Ort hinzugefügt werden. Entsprechend könnte ein Umsetzungsvorhaben wie folgt lauten:

„Ich werde um 7 Uhr morgens auf meinem Lieblingsstuhl 5 Minuten meditieren.“

Für jede neue Gewohnheit, die Du etablieren möchtest, kannst Du Dir eine solches Umsetzungsvorhaben notieren und dort platzieren, wo Du es täglich siehst.

#3 Kopplung von Gewohnheiten

Oben habe ich bereits davon gesprochen, dass Gewohnheiten teilweise aneinander gekoppelt sind. Dies kannst Du Dir zu nutze machen, wenn Du eine neue Gewohnheit entwickeln möchtest! Du kannst Dir eine bereits bestehende positive Gewohnheit suchen – vielleicht auch von deiner Gewohnheitslandkarte – und die gewünschte Gewohnheit mit dieser verknüpfen. Diese Kopplung funktioniert nach dem Prinzip:

„Nach A werde ich B tun.“

So kannst Du Dir zum Beispiel auch hier entsprechende Sätze formulieren und gut sichtbar positionieren. Ein derartiger Satz könnte beispielsweise lauten:

„Nachdem ich mein Frühstück-to-go zubereitet habe, setze ich mich auf meinen Lieblingsstuhl, um 5 Minuten zu meditieren.“

So wird die gut etablierte Gewohnheit der Zubereitung des Frühstücks zum Auslösereiz für eine neue wünschenswerte Gewohnheit.

#4 Gestaltung des Umfeldes

Dieser Punkt ist sehr wichtig! Nicht zuletzt, weil er Dir neben der Entwicklung neuer und positiver Gewohnheiten, das Ablegen negativer Gewohnheiten erlaubt. Ich habe oben bereits angedeutet, das unser Umfeld eine sehr wichtige Rolle in puncto Gewohnheiten spielt. Durch eine gezielte Manipulation unserer Umwelt, können wir sehr viel bewegen! Was heißt das konkret? Hier einige Beispiele:

  • Wenn Du dazu neigst abends auf dem Sofa zu naschen, wäre es sinnvoll, Dir keine Leckereien vor die Nase zu stellen. Im besten Fall überwindest Du sogar schon den Auslösereiz im Supermarkt, sodass die Süßigkeiten erst gar nicht den Weg in den Einkauf finden.
  • Wenn Du Dir zwar einen Hometrainer oder Hanteln bestellt hast, aber Zuhause nicht aktiv wirst, könnte es sinnvoll sein, die Sportgeräte offensichtlich im Wohnzimmer zu platzieren. So denkst Du immer wieder daran (Auslösereiz) und die Hemmschwelle ist wesentlich geringer, weil die die Geräte nicht noch erst aus der Mottenkiste oder dem Abstellraum holen musst.
  • Wenn Du Dir angewöhnen möchtest mehr zu trinken, nimm Dir stets eine Flasche Wasser mit bzw. stell Dir diese auf deinen Schreibtisch oder den Wohnzimmertisch. Eben dort, wo Du immer wieder mit dem Auslösereiz „Wasserflasche“ konfrontiert wirst.
  • Du willst weniger TV schauen? Dann platziere Dir nicht noch im Schlafzimmer einen Fernseher.
  • Du willst mehr lesen? Dann leg Dir dein Buch ganz offensichtlich dort hin, wo Du es immer wieder siehst.

Ich glaube das Prinzip ist klar geworden:
Auslöser für positive Gewohnheiten sollten offensichtlich und gut sichtbar sein. Auslöser für negative Gewohnheiten sollten möglichst unsichtbar sein.

#5 Wiederholung statt Perfektionismus

Um Gewohnheiten aufrecht zu erhalten ist es enorm wichtig, dass sie wiederholt werden. Natürlich kann es sein, dass manchmal der innere Schweinehund nur schwer oder gar nicht zu überwinden ist. Was in diesen Fällen helfen kann: Hemmschwellenreduzierung durch Kürzung der Intensität und/oder Dauer. Das heißt trotzdem die gewünschte Handlung auszuführen, aber die übliche Intensität und/oder Dauer herunterzufahren, damit Du dich aufraffen kannst. Warum? Der „Schaden“, der hierdurch im Prozess der Gewohnheitsbildung entsteht ist wesentlich geringer als der, der durch den vollständigen Wegfall entstehen würde. Das kann zum Beispiel heißen:

  • 20 Min. statt 60 Min. Sport
  • ein Spaziergang statt eine Jogging-Einheit
  • ein Salat zum Convinience-Food statt komplett selbst zu kochen
  • 5 Minuten bzw. 5 Seiten statt 10 Minuten bzw. 10 Seiten lesen

Soviel von mir zum Thema Gewohnheiten. Ich hoffe die Tipps unterstützen Dich bei der erfolgreichen Entwicklung von neuen, positiven Gewohnheiten. In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Spaß bei der Umsetzung!

Diese und viele weitere Tipps sind auch immer wieder Gegenstand meiner Beratungsleistungen. Solltest Du neugierig geworden sein, dann schau doch gern mal hier vorbei!

Quellen:

  • Die 1% Methode, James Clear (2020)

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