Stressfaktor Social Media: 6 Gründe, warum sie Dich gestresst und erschöpft zurücklassen (Teil 2)

Starten wir mit einer kurzen Anekdote: Kürzlich habe ich während eines Spaziergangs einen jungen Mann gesehen, der auf einem Rasenmähertrecker das Gras in seinem Garten mähte. Immer dann, wenn er nach einer Bahn den Trecker wieder in Position gebracht hatte, um eine neue Bahn in Angriff zu nehmen, zückte er sein Smartphone. So konnte er die 15 Sekunden, die eine Bahn dauerte, damit verbringen durch Social Media zu scrollen (erkennbar an dem klassischen Swipen). Zwischendurch stoppte er den Trecker auch, um sich ganz dem Smartphone zu widmen. Das gab mir zu denken und ich frage mich, was die Menschen wohl vor dem Smartphone beim Rasenmähen so taten … was muss das für eine harte Zeit gewesen sein. Jedenfalls nahm ich diesen Wink mit dem Zaunpfahl zum Anlass mich an den zweiten Teil des Artikels zu machen. So … here we go!

#4 Social Media dienen der Vernetzung, schaffen aber keine wahre Verbindung

Noch nie waren wir so vernetzt und noch nie so schlecht verbunden … mit uns selbst, mit anderen Menschen und mit der Natur. Wann seid Ihr das letzte Mal mit Euch in den Kontakt gegangen? Wann habt Ihr Mal in Stille in Euch hinein gehorcht? Wann habt ihr das letzte Mal euren Körper gespürt? Ich meine nicht nur dann, wenn es irgendwo schmerzt, sondern dann, wenn es Euch körperlich gut geht? Wir leben in einer Welt voller Ablenkung. Alles um uns herum versucht unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Allem voran natürlich die Medien und insbesondere Social Media. Aber auch WhatsApp oder die gute alte E-Mail-Adresse will gecheckt werden. Hierdurch sind wir überwiegend im Außen und verlernen die Selbstwahrnehmung – falls wir überhaupt gelernt haben immer mal wieder in uns hinein zu spüren. Hierbei geht es nicht nur um die körperliche Wahrnehmung, sondern auch darum zu reflektieren oder die Gedanken einfach mal kreisen zu lassen – und das auch oder vor allem dann, wenn mal kein akutes Problem gelöst werden muss.

Auch unsere zwischenmenschlichen Beziehungen haben sich verändert. Facebook und Instagram sorgen dafür, dass wir immer auf dem Laufenden darüber sind, was unsere Freunde und Bekannte (oder ganz viele andere Menschen, die wir nicht persönlich kennen) so treiben. Sollte es auf diesen Kanälen mal ruhig sein, können wir immer noch über eine kurze WhatsApp-(Sprach-)Nachricht abstecken, wie der Status quo ist. Auch ein interessantes Phänomen: Viele junge Menschen folgen Influencern, denen sie nie persönlich begegnet sind oder zu denen sie nie eine beidseitige Verbindungen aufgebaut haben und haben dennoch das Gefühl einer Art Freundschaft. Das Problem: Diese „Freundschaft“ ist einseitig und bietet ihnen keinen sozialen Rückhalt – es entstehen leider nur Pseudo-Verbindungen. Diese oft punktuelle und/oder recht oberflächliche Kommunikation erweckt den Eindruck mit allen in Kontakt zu sein. Und das ohne großen Aufwand … zuhause vom Sofa aus. Etwas überspitzt könnte man also fragen: Wozu also noch vor die Tür gehen? Nun ja … in der Tendenz ersetzen diese Arten der Kommunikation nicht das persönliche Gespräch, das im besten Fall Face-to-Face oder, falls das nur schwer möglich ist, per (Video-)Call stattfindet. Doch Vertrauen und Offenheit sind Dinge, die nicht nur Zeit brauchen, um zu wachsen. Sie brauchen auch wahre Begegnung: Blicke, Berührungen, Zugewandtheit, zu sehen, dass das Gegenüber aktiv zuhört (man gehört wird) man in Resonanz miteinander geht. Auch gemeinsame Unternehmungen und Erlebnisse sind wichtige Elemente, um die Verbindung zwischen Menschen zu vertiefen. Alles schwer vom Sofa aus umzusetzen.

Auch die Natur ist vielen Menschen immer fremder. Wie heißt es noch gleich? Sei täglich eine Stunde in der Natur, nur wenn Du keine Zeit hast, dann sei zwei Stunden in der Natur! Sind wir mal ehrlich, wer ist denn überhaupt noch draußen – außer vielleicht, um irgendwo hinzugehen? Doch irgendwie ist es einleuchtend, dass uns Natur gut tut – denn da kommen wir ja ursprünglich her. Man mag es kaum glauben, aber unsere Vorfahren kamen nicht aus dem Großstadt-Dschungel. Wir waren es gewohnt in kleinen Gruppen durch die Natur zu ziehen. Das ist auch der Grund, wieso eine hohe Bevölkerungsdichte einen Stressfaktor darstellt – auch wenn sie meist nicht als solcher wahrgenommen wird, weil wir uns an Menschenmassen und Verkehrslärm gewöhnt haben. Kleiner Spoiler: Diese Dinge stressen uns trotz der vermeintlichen Gewohnheit, wenn auch in unterschiedlicher Stärke. Wir sind für diese Reizüberflutung schlichtweg nicht gemacht. Allein der Fokus auf eine spezielle Sache und das Ausblenden aller anderen Reize, die wir gerade nicht wahrnehmen wollen, kosten unser Gehirn auf Dauer sehr viel Energie. Auch konstanter Lärm tut uns nicht gut. Wir sind nun einmal evolutionär darauf geprägt, einzelne Geräusche wahrzunehmen und damit einhergehende Gefahrenquellen zu identifizieren. Dauerbeschallung mit verschiedensten Geräuschen lässt uns also nicht richtig zur Ruhe kommen. Das nächste Problem: Selbst wenn die Menschen draußen sind wird die Umwelt oft kaum noch wahrgenommen. Entweder ist man in Gedanken schon beim nächsten Termin oder mit seiner Aufmerksamkeit beim Smartphone.

Wie genau wirken sich nun schlechtere Verbindungen zu uns selbst, zu anderen und zur Natur auf unser Stresslevel aus?

  1. Wenn ich keine Verbindung zu mir habe und nicht wahrnehme, ob und wie gestresst ich bin, dann ist es schwierig gezielte Maßnehmen gegen den Stress zu ergreifen. Selbstwahrnehmung ist für die Stressbewältigung daher essentiell. Es ist wichtig, sich selbst zu spüren und die eigenen körperlichen und psychischen Bedürfnisse zu erkennen. Zum Beispiel nach Erholung – denn diese ist für eine erfolgreiche Stressbewältigung unverzichtbar.
  2. Unser soziales Netzwerk bzw. unser sozialer Rückhalt – und damit sind tiefgehende Beziehungen gemeint – haben sehr großen Einfluss auf unser Stresslevel sowie unsere Resilienz. Wenn wir wissen, dass es Menschen gibt, die für uns da sind, wenn es uns schlecht geht … die uns unterstützen, wenn wir Hilfe benötigen oder uns auf helfen, wenn wir gefallen sind, dann gehen wir nachweislich besser mit Stress um und kommen auch nach Krisen wieder schneller auf die Beine. Dieses Netzwerk bauen wir uns nicht durch Pseudo-Freundschaften in Social Media auf.
  3. Es gibt viele Studien darüber, welche Wirkung die Natur auf unser Stresslevel hat. Soziale Medien sorgen einmal mehr dafür, dass wir weniger Zeit in der Natur und mehr auf der Couch verbringen. Zudem sorgen sie oft dafür, dass wir, wenn wir mal in der Natur sind, in unser Smartphone starren, anstatt die Schönheit um uns herum wahrzunehmen, den Moment zu genießen und die Ruhe aufzusaugen.

Was also tun?

  • Trainiert Achtsamkeit und arbeitet daran, auch mal inne zu halten und Euch immer wieder selbst zu spüren. Wie geht es mir? Bin ich schon wieder im Hamsterrad? Drehe ich im roten Bereich? Was brauche ich gerade, was sind meine Bedürfnisse? Was hilft mir, was hingegen schadet mir? Was triggert mich?
  • Ansätze für die Verbesserung der Körperwahrnehmung sind zum Beispiel Embodiment oder auch der einfache Body-Check im Rahmen von Meditationen. Auch Atemübungen, wie zum Beispiel Box Breathing, können Euch helfen eine Verbindung zu Euch aufzubauen und Euch wieder (mehr) zu spüren.
  • Pflegt Eure Beziehungen! Hierfür musst Ihr auch mal selbst aktiv werden und die Begegnung mit Euren Lieblingsmenschen suchen. Und das nicht nur über Social Media. Hierbei gilt: Nicht die Quantität der Beziehungen, sondern die Qualität ist entscheidend.
  • Seid so oft es geht in der Natur und nehmt diese achtsam wahr. Lasst das Smartphone mal Zuhause, im Rucksack oder in der Hosentasche. Genießt die Ruhe um Euch herum – vielleicht auch, um die Stimmen in Eurem Innern endlich (wieder) hören zu können.

#5 Social Media fördern Konsumverhalten und verhindern Kreation

Social Media sind, wie bereits in Teil 1 dieses Artikels erwähnt, so entwickelt, dass sie uns möglichst lang am Gerät halten – Dopamin-Rausch lässt grüßen. So verbringen wir täglich Stunden in Social Media und hangeln uns von einem Post (mittlerweile meist Kurvideos) zum nächsten. Wir füttern uns konstant mit in der Tendenz eher weniger sinnvollen bis schlichtweg bedenklichen Inhalten. Was wir dabei oft vergessen: Auch der Medienkonsum, ob TV oder Smartphone, kostet uns Energie. Zudem füllen unseren Kopf jeden Tag mit Unmengen an zum größten Teil unnützen Informationen. Sofern Social Media mehr konsumiert wird, als dass wir selbst bei der Erstellung von Inhalten wirklich kreativ werden oder womöglich einen inhaltlichen Mehrwert bieten, fördert die Nutzung zudem eine generelle Konsumhaltung. Statt selbst Dinge zu erschaffen und vielleicht sogar haptisch aktiv zu werden, wird stumpf konsumiert. Was könnten wir in dieser Zeit alles tun? Was könnten wir alles kreieren und erschaffen?

Uns möglichst lange bei der Stange zu halten macht aus Sicht der Social Media Anbieter natürlich Sinn. Denn wer viel Zeit in diesen Medien verbringt, der kann potentiell auch häufiger mit Werbung erreicht werden – und das ist nun einmal das Geschäftsmodell von Social Media Anbietern. Denn genau dafür bekommen sie von anderen Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen bewerben möchten, eine entsprechende Bezahlung. Durch lange Verweilzeiten und unseren spezifischen Konsum von Inhalten helfen wir zudem, den Algorithmus zu füttern. So erreicht uns auch genau die Werbung, die uns mit der höchsten Wahrscheinlichkeit von einem Produkt oder einer Dienstleistung überzeugt. Auch auf dieser materiellen Ebene steigern Social Media also unser Konsumverhalten.

Wie aber entsteht in diesem Zusammenhang Stress? Nun … zum einen durch den Informationsoverload per se. Unser Gehirn hat nun einmal begrenzte Kapazitäten sowohl was unser Gedächtnis anbelangt als auch in puncto Verarbeitung. Es ist nicht dafür geschaffen den ganzen Tag mit Reizen konfrontiert und mit Informationen gefüttert zu werden. Vielmehr löst es gern anspruchsvolle Aufgaben und möchte dann im Gegenzug auch einfach mal „Nichts“ tun und sich schlichtweg langweilen. In der Zwischenzeit betreibt es am liebsten Singletasking: Die Beschäftigung mit einer (ja genau, einer) Sache. Puzzlen, Zeichnen, Lesen, Musik hören, die Wolken oder Menschen in der Fußgängerzone beobachten … was auch immer Euch zusagt. Auch Monotonie kann im richtigen Maß ein Wohlfühlzustand für unser Gehirn sein. Gönn deinem Gehirn ein wenig Pause vom Konsum-Marathon. Während der Langeweile oder der Monotonie sind wir übrigens am kreativsten … wie sollen auch Ideen entstehen und Gedanken frei fließen können, wenn wir permanent konsumieren. Zum anderen ergibt sich der Stress auch dadurch, dass Social Media die ultimativen Zeitdiebe sind. Ständig daddeln wir rum und ehe wir uns versehen, hängen wir schon wieder 30 Minuten auf einer Social Media Plattform rum. Diese Zeit fehlt uns für die Dinge, die wirklich wichtig sind. Und so entsteht Zeitdruck, der sich negativ auf unser Stresslevel auswirkt.

Was also tun?

  • Lasst das Smartphone auch einmal Zuhause oder wenigstens in einem anderen Raum liegen. Arbeitet ihr im Büro, lasst das Smartphone in der Tasche – es hat auf dem Schreibtisch nichts zu suchen. Nicht zuletzt, weil es Euch stark ablenken kann, was Eure Produktivität massiv beeinflusst.
  • Dosiert Euren Social Media bzw. Medien Konsum an sich. Hierbei kann ein Blick auf Eure Screentime helfen, da sie ebenfalls darüber Aufschluss gibt, wieviel Zeit Ihr in welchen Apps verbracht habt. Für die Dosierung könnt Ihr Euch auch einen Timer setzen oder nur zu gewissen Zeitenfenstern Social Media nutzen. Vielleicht traut Ihr Euch sogar Social Media freie Tage zu etablieren?
  • Don’t fall into the rabbit hole! Ertappt Euch selbst dabei, wenn Ihr mal wieder völlig ungeplant und unverhältnismäßig lang Social Media Inhalte konsumiert, weil ein Video zum nächsten führt usw. Legt das Smartphone dann ganz bewusst zur Seite.
  • Führt eine Strichliste über die Häufigkeit mit der Ihr Euer Smartphone aus Gewohnheit zückt, um durch Social Media zu browsen. Versucht besser zu werden und diese Gewohnheit abzubauen.
  • Achtet darauf, dass ihr möglichst viel Singletasking betreibt. Es dürfen auch mal monotone Tätigkeiten sein. Für alle die die Möglichkeit haben: Fegen oder Laub harken eignet sich hervorragend.

#6 Social Media fördert nicht unbedingt Bewegung

Diesen letzten Punkt können wir relativ kurz halten, da er wahrscheinlich sehr einleuchtend ist: Zeit die wir in Social Media verbringen ist meist keine Zeit, in der wer uns bewegen oder Sport treiben. Und auch das Konsumieren während der Bewegung hat keine positiven Effekte. Bestes Beispiel: der Besuch im Fitnessstudio zieht sich unheimlich in die Länge, weil die Menschen in jeder kleinen Pause zwischen den Sätzen auf ihren Smartphones herumfingern. Den einen oder die andere mag die künstlich in die Länge gezogene Zeit schließlich ganz von einem Studiobesuch abhalten, weil nicht genügend Zeit zur Verfügung steht. Auch ich habe lang mit Smartphone trainiert und es hat etwas gedauert, bis ich mich disziplinieren konnte. Nun lasse ich das Smartphone oft ganz Zuhause. Das Ergebnis: Ich bin wesentlich schneller mit meinem Workout durch und kann mich besser auf die Übungen konzentrieren.

Und was hat mangelnde Bewegung nun mit Stress zu tun? Ganz einfach: Bewegung ist ganz grundsätzlich eine wichtige Methode zur Stressbewältigung bzw. zum Stressabbau. Durch Bewegung und insbesondere Sport werden Stresshormone (Adrenalin, falls vorhanden, und insbesondere Cortisol) abgebaut. Für den Fall, dass die Bewegung Freude bereitet und Ziele erreicht werden, werden zudem Glückshormone (Dopamin, Endorphin) ausgeschüttet. Sport wirkt somit stimmungsaufhellend und befreiend. Er wirkt sogar Ängsten entgegen. Zudem bringt er den Körper im Anschluss in eine muskuläre Entspannung, die wir oft als eine Art „Schwere“ wahrnehmen. Und wer aktiv Sport treibt wird es bestätigen können: Sport verleiht Selbstbewusstsein und -wirksamkeit.

Was also tun?

  • Bleibt in Bewegung! Es muss nicht immer das Hammer-Workout sein. Am wichtigsten ist, dass Ihr Euch bewegt. Sucht Euch eine Form der Bewegung, die Euch Freude bereitet.
  • Wenn Euch mal wieder der innere Schweinehund im Weg steht, setze die Bewegungseinheit so lange in Dauer und Intensität runter, bis die Hemmschwelle so gering ist, dass Ihr ohne Weiteres in die Umsetzung kommt.
  • Dranbleiben ist wesentlich wichtiger, als jedes Mal volle Leistung abzurufen. Viele bewegen sich in Extremen, die letztlich nur in den seltensten Fällen dauerhaft durchgehalten werden können.
  • Eine sanfte Methode, Euch zu etwas mehr Bewegung zu motivieren ist ein Schrittzähler. So könnt Ihr Euch beispielsweise eine moderate tägliche Schrittanzahl als Ziel setzen oder gezielt noch etwas in Bewegung kommen, wenn der Tag zu viel aus Sitzen bestand (was insbesondere bei Bürotätigkeiten der Fall ist).

Schlusswort

Als Schlusswort bleibt mir noch eines zu sagen: Es geht wie bei allen Veränderungen nicht darum, völlig auf Social Media zu verzichten. Es geht vielmehr darum, einen bewussten und cleveren Umgang damit zu finden und den Konsum auf ein gesundes Maß zu begrenzen.

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