Stress lass nach: Immunsystem stärken und Infektionsrisiko senken

Hallo zusammen!

Nun ist sie wieder da – die nasskalte Jahreszeit! Und mal ganz abgesehen vom Corona-Virus, über das ich an dieser Stelle nicht sprechen möchte, gibt es da draußen noch so einiges mehr – wenn auch deutlich Ungefährlicheres – mit dem sich unser Immunsystem täglich rumschlagen muss. Gerade Familien mit Kleinkindern erleben gerade, wie ihr Nachwuchs eine Infektion nach der nächsten aus der Kita mit nach Hause bringen. Wie also können wir unser Immunsystem stärken und somit das Risiko für Infektionen verringern? Im Fall von Erkältungskrankheiten auf jeden Fall schon mal nicht mit hochdosiertem Vitamin C, soviel ist mittlerweile klar. Auch wenn viele Menschen das – zur Freude derjenigen, die derartige Präparate herstellen und verkaufen – immer noch glauben. Entsprechende Studien, die zeigen, dass Vitamin C die Wahrscheinlichkeit für eine Erkältung gar nicht und die Dauer einer Erkältung nur in sehr geringem Maße verringern kann, finden Ihr in den Quellenangaben zu diesem Beitrag.

Natürlich sind die Einflüsse, die äußere und innere Umstände auf unser Immunsystem haben vielfältig und noch bei weitem nicht in Gänze verstanden. Dennoch wissen wir schon lange, dass zum Beispiel unser Mikrobiom, d.h. die Bakterienkulturen in unserem Darm, eine enorm wichtige Rolle spielen. Leider schaffen wir es durch unser rücksichtsloses und destruktives Verhalten nicht nur die Biodiversität auf unserem Planeten zu dezimieren – durch ungesunde und einseitige Ernährung und zu häufige Nutzung von Antibiotika sind wir auch ziemlich gut darin, die Diversität in unserem Darm immer weiter zu reduzieren. Schade, denn das schwächt unser Immunsystem und macht uns anfälliger für Infektionen. Wie Ihr für Vielfalt in Eurem Mikrobiom sorgt? Mein ganzer Blog dreht sich darum! Schaut also gern in meine zahlreichen Artikel zum Thema gesunde Ernährung und beherzigt die zahlreichen Tipps in Eurem Alltag. Eine Schlüsselrolle spielen hierbei auf jeden Fall Ballaststoffe – das könnt Ihr auch in meinem eBook „Endlich satt!“ nachlesen. In diesem Beitrag möchte ich mich nun aber einem anderen sehr wichtigen Einflussfaktor widmen: und zwar Stress. Hierbei ist es zunächst wichtig, zwischen akutem Stress und chronischem Stress zu unterscheiden. Denn die beiden Stressarten haben tatsächlich unterschiedliche Auswirkungen auf unser Immunsystem.

Welchen Einfluss hat akuter Stress auf das Immunsystem?

Interessanterweise ist es so, dass sich akuter Stress – also Stress, der nur kurzzeitig besteht – positiv auf unser Immunsystem auswirken kann. Dies gilt allerdings nur für unser unspezifisches Immunsystem, das sogenannte angeborene Immunsystem. Denn jeder von uns hat im Grunde zwei Immunsysteme: Das erwähnte unspezifische, angeborene und das spezifische, sogenannte adaptive bzw. erworbene, Immunsystem. Akuter Stress wirkt sich nun wie folgt aus: Während einer akuten Stresssituation wird neben dem Neurotransmitter Noradrenalin und dem Stresshormon Adrenalin nach einer gewissen Zeit auch das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, das ich auch schon in anderen Beiträgen zum Thema Stressmanagement erwähnt habe. Cortisol sorgt letztlich dafür, dass sich die Immunabwehr des angeborenen Systems erhöht. Warum? Nun ja, eine Stressreaktion bereitet uns – damals wie heute – darauf vor, zu fliehen oder zu kämpfen. Bei Letzterem konnte es durchaus zu Verletzungen kommen, die mit Bakterien und Viren verunreinigt sein konnten und nach dem Kampf möglichst schnell heilen mussten. Damit wir an derartigen Verletzungen nicht zu Grunde gehen, legt das unspezifische Immunsystem einen Gang zu: Zum Schutz vor einer Infektion entsteht eine Entzündung, die Anzahl der weißen Blutkörperchen, der Fresszellen und natürlichen Killerzellen steigt; gleichzeitig intensiviert sich auch die Aktivität der Killerzellen. Zudem teilen sich die spezialisierten Immunzellen, wie z.B. die T-Lymphozyten des spezifischen Systems, langsamer. Die Aktivität des spezifischen bzw. erworbenen Immunsystems hingegen erhöht sich nicht. Ganz im Gegenteil: Sie wird – zugunsten des unspezifischen Immunsystems – sogar gedrosselt.

Wie wirkt sich chronischer Stress auf das Immunsystem und die Infektionsanfälligkeit aus?

Bei chronischem Stress sieht es anders aus: Wie ihr wisst, ist der Cortisol-Spiegel bei dieser Stressart dauerhaft erhöht, um unser Gehirn in dem resultierenden, überwachen Zustand mit ausreichend Energie zu versorgen. Das betrifft zumindest den Stresstyp A und in gewissen Szenarien auch den Typ B, denn dieser gewöhnt sich ja nicht generell an Stress, sondern nur bei sich wiederholenden stressverursachenden Situationen. Wenn Ihr von den beiden Typen noch nichts gehört habt, dann lest unbedingt meinen Beitrag „Wie chronischer Stress zu Übergewicht und Krankheit führt“. Nun aber weiter im Text: Der dauerhaft hohe Cortisol-Spiegel hat neben den zahlreichen Auswirkungen, die ich in dem besagten Beitrag beschreibe, auch negativen Einfluss auf unsere beiden Immunsysteme. Die Anzahl der oben erwähnten Immunzellen im Blut sinkt; Gleiches gilt für die Aktivität der Killerzellen. Wie beim akuten Stress teilen sich unter anderem die T-Lymphozyten langsamer. Cortisol hat also eine immunsuppressive Wirkung und unterdrückt demnach die Aktivitäten unserer beiden Immunsysteme. Und zwar oft solange, bis der Cortisol-Spiegel wieder in den Normalbereich fällt. Sind wir chronisch gestresst, passiert dies aber nicht und unser schwaches Immunsystem kämpft kontinuierlich gegen Krankheiten, die bei genügend Ruhe und adäquaten Maßnahmen zur Stressbewältigung wesentlich schneller auskuriert wären. Fakt ist: unter chronischem Stress werden wir schneller krank und langsamer wieder gesund.

Exkurs: Wieso sind wir oft im Urlaub krank?

Das Phänomen kennt Ihr bestimmt: Die Wochen vor dem Urlaub ist der Stresspegel besonders hoch, weil man vor der Auszeit gefühlt noch die Welt retten muss. Dann ist es endlich soweit und man startet in den wohlverdienten Urlaub. Doch dann dauert es nicht lang und die Krankheit schlägt zu. Die Erklärung? Zwar reagiert unser Körper in stressigen Phasen auf Infektionen (und so auch vor dem Urlaub), aber die typischen Symptome bleiben oft ganz oder zumindest zum großen Teil aus. Erst wenn der Cortisol-Spiegel sinkt (wir die ersten Urlaubstage hinter uns haben), zwingt uns die Krankheit schließlich in die Knie. Denn dann verfliegt die immunsuppressive und entzündungshemmende Wirkung des Cortisols und das Immunsystem dreht richtig auf. Das heißt letztlich: je gestresster Du grundsätzlich (oder vor dem Urlaubt) bist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der sogenannten Leisure Sickness zum Opfer zu fallen.

Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Krankheit

Die obigen Ausführungen machen ebenfalls deutlich, dass wir nicht unbedingt gesund sind, nur weil wir keine konkreten bzw. eindeutig zuordenbaren Symptome haben. Nur weil wir nicht mit einer Erkältung im Bett liegen, bedeutet das nicht, das unser Körper nicht gerade mit heruntergefahrenem Immunsystem gegen Bakterien und Viren kämpft. Einen Kampf, den er nicht gewinnen kann, wenn das Stresslevel dauerhaft hoch bleibt. Das Problem: Viele Menschen merken gar nicht, wie gestresst sie sind. Sie haben das Gefühl für ihren Körper verloren und denken binär in Gesundheit oder Krankheit. Dazwischen gibt es aber noch einige Abstufungen. Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Krankheit, sondern Vitalität, Leistungsfähigkeit und Ausgeglichenheit. Unser Körper ist mehr als nur das, was funktionieren muss, was irgendwie am laufen gehalten werden muss. Wir müssen ihn hegen und pflegen, auf ihn aufpassen – denn kaum ein anderer wird es tun. Hierfür sind wir zum aller größten Teil selbst verantwortlich. Es muss uns klar sein, dass ein über Wasser halten nicht der Normalzustand ist, dass eine latente Krankheit sich am Ende des Tages seinen Weg sucht – nicht zuletzt, weil auch psychische Belastungen und die damit verbundenen negativen Gedanken und Emotionen unmittelbare Auswirkungen auf unser Immunsystem haben. Dass Immunsystem und Psyche eng verknüpft sind, ist keine neue Erkenntnis. Um diese Verbindung genauer zu verstehen, gibt es einen eigenen Forschungszweig: die Psychoneuro­immunologie. Welchen Einfluss zum Beispiel allein Erwartungen haben können, zeigt unter anderem Prof. Dr. Manfred Schedlowski von der Universität Essen in seinem „Grüne-Milch-Experiment“.

Wie kann ich mein Immunsystem (noch mehr) stärken?

Wir können also festhalten: alle Maßnahmen zur Stressbewältigung haben positiven Einfluss auf unser Immunsystem und erhöhen so unsere Abwehrkräfte gegenüber Infektionen. Es lohnt sich also sich die folgenden Fragen innerhalb der drei Kategorien der Stressbewältigung zu stellen:


Belastende Situationen

  • Was genau löst bei mir Stress aus, was sind meine sogenannten Stressoren?
  • Wie kann ich Situation, in denen diese Stressoren auftauchen, vermeiden?
  • Welche Ressourcen bzw. Fähigkeiten kann ich aufbauen, um den Einfluss der Stressoren, die ich nicht vermeiden kann, zu verringern?

Umgang mit Belastungen

  • Welche Einstellungen kann ich verändern (z.B. Akzeptanz fördern)?
  • Wie kann ich die Überzeugung in die eigenen Ressourcen bzw. Fähigkeiten stärken?
  • Wie kann ich negative innere Antreiber (z.B. Perfektionismus, Ungeduld, Einzelkämpfertum) bearbeiten?

Reduktion der Folgen von belastenden Situationen

  • Welche Aktivitäten fördern meine Entspannung (z.B. Meditation, Yoga)?
  • Was gibt mir Energie (z.B. moderate Bewegung oder Aufenthalte in der Natur)

Neben guter Stressbewältigung sind die drei wichtigsten Maßnahmen zur Stärkung des Immunsystems übrigens: Gesunde und ausgewogene Ernährung (insbesondere Obst und Gemüse(!)), ausreichend Schlaf (mindestens 7 bis 8 Stunden) sowie Sport bzw. ausreichend Bewegung (am besten an der frischen Luft). Wir können also zusammenfassen: Wenn Ihr euer Immunsystem stärken wollt: Betreibt ausreichend Selbstfürsorge! Um zu spüren, wann Ihr diese Fürsorge besonders nötig habt, lohnt es sich, die eigene Körperwahrnehmung zu trainieren, z.B. durch einen Body Scan. Denn im besten Fall werden wir nicht erst aktiv, wenn es schmerzt.

„Geh Du vor“ sagte die Seele zum Körper, „auf mich hört er nicht. Vielleicht hört er auf Dich.“

„Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für Dich haben.“ sagte der Körper zur Seele.

Ullrich Schaffer

Liebe Grüße und bleibt gesund,

Euer Claudio

Quellen:

One thought

  1. Schön, dass auch die Seele ausführlich ins Spiel kommt – und die Bedeutung des Körpers als vorgeschalteter Indikator. Wichtiger Text, finde ich, weil die übergeordneten Aspekte umfassend gesunder Lebensführung – hier mit dem Fokus auf Stress – ins Zentrum gerückt werden. Darauf darf sich ruhig auch die Politik besinnen…

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